Tschernobyl – Tour durch die Sperrzone um Prypjat

Von Nürnberg ging es per Direktflug nach Kiew. Als erstes machten wir uns auf, die Stadt zu erkunden. Zu Fuß bei über 32°C machten es zu einer hitzigen Angelegenheit. Die Stadt bietet eine Vielzahl an Sehenswürdigkeiten.

Stadtrundgang durch Kiew

Als erstes ging es mit der Metro zur Bessarabska-Markthalle, dann zum Majdan, zum Michaelskloster, der Sophienkathedrale und der St.-Andreas-Kirche. Anschließend ging es durch das Vozdvyzhenka Viertel ehe wir die Zhitnii Rynok Markthalle passierten und in der Sahaidachnoho Straße unter dem Klang der Straßenmusikanten unser Abendessen genossen. Metro fahren kann man generell empfehlen, günstig (0,27 € für eine Fahrt) und gut organisiert, ansonsten ist Uber eine häufig anzutreffende Alternative.

 

Am nächsten Tag führte unser Weg uns in Richtung Osten zum Fluss Dneper. An der Mariä-Entschlafenskirche fand gerade ein Outdoor-Gottesdienst statt (es war Sonntag). Wir besichtigten die daneben liegende Refektoriumkirche der Ehrwürdigen Antonij und Feodosij und bestiegen den großen Glockenturm Lawra. Danach besuchten wir das Höhlenkloster Lawra und folgten dem Guide durch die Höhlen. Auf dem Weg zur Mutter-Heimat-Statue kamen wir am Spivoche Pole vorbei. Dort sind nicht nur bunte Blumenfiguren kreiert worden, sondern auch der passende Samen dazu kann erworben werden. Vor der Mutter-Heimat-Statue standen drei Panzer wovon einer in den ukrainischen Landesfarben blau und gelb angestrichen war, die zum Museum über die Ukraine im Zweiten Weltkrieg gehören. Zurück ging es mit der U-Bahn, die hier teilweise über 100 m unter der Erde fährt.

Kiss Konzert im Olympiastadion

Zum Konzert gibt es einen separaten Bericht. Lest diesen hier.

Tschernobyl und Prypjat

Direkt am Sarkophag ist die Strahlung auch nicht so viel höher

Mit dem Mini-Bus starteten wir gegen acht Uhr in Kiew und fuhren knapp eineinhalb Stunden bis zum ersten Checkpoint der 30 km Zone. Dort wurden unsere Reisepässe mit den angegebenen Daten abgeglichen und wir registriert. Direkt nach der Schranke erhielt jeder Mitreisende einen Dosimeter zur Messung der individuellen Messung der Strahlendosis. Angeblich erfolgt dies nur zu Forschungszwecken sodass wir unsere Dosis nicht erfahren haben.

Nach einem kurzen Stopp am Ortsschild von Tschernobyl hielten wir im Ort selbst, wo ein Denkmal steht und wir in Gruppen einen ablesbaren Dosimeter erhielten sowie in die Bedienung eingewiesen wurden. Auf der Weiterfahrt in Richtung Kraftwerkblöcke passierten wir zunächst den zweiten Checkpoint der 10 km Zone. Der gemessene Wert stieg mittlerweile von 0,12 Mikrosievert pro Stunde (μSv/h) auf über 1,2 μSv/h. Den Wert haben wir beim ersten Stopp mit Blick auf den Reaktorblock 4 und den Sarkophag gemessen. Von dort aus konnte man auch den nicht fertig gestellten Block 6 samt Kühlturm sehen, die einfach so belassen wurden wie am Tag der Katastrophe. Erkennen kann man das am besten an den Bäumen, die auf dem Dach wachsen.

Wir fuhren um das marode Kraftwerk zur Schleuse, über die man den neu installierten Sarkophag betreten kann. Dort ist ein weiteres Denkmal errichtet worden, doch selbst in Griffweite zum Unglücksort ist hier die Strahlung nicht höher als einige Kilometer zuvor. Am etwas später passierten Ortschild von Prypjat gab es eine markierte Stelle, wo der Geiger-Müller-Zähler auf 17 μSv/h sprang. Man muss dazu sagen, dass die ganze Region kontaminiert wurde. Es gab kurz nach dem Unfall z.B. einen Roten Wald, wo alle Bäume gefällt und vergraben wurden, da sie so stark belastet waren. Orte, allen voran Prypjat, wurde dekontaminiert.

Durch die Geisterstadt Prypjat

Blick in ein zurückgelassenes Klassenzimmer

Wir passierten den Checkpoint von Prypjat und sahen entlang der Ortsdurchfahrt nur Bäume an den Straßen. Vereinzelt konnte man Gebäude hinter den Bäumen entdecken.

Unser erster Stopp war an einem früheren Krankenhaus. Zur Begrüßung stand außen ein Gynäkologen-Stuhl. Beim Blick durch die Fenster sah man eine Patiententafel herumliegen sowie vermutlich der Umkleideraum mit den nummerierten Haken. Der zweite Stopp führte uns zum Cafe, das damals als Erholungsmöglichkeit samt Steg am Fluss errichtet wurde. Danach passierten wir eine Musikschule und besuchten das Kino „Prometheus“.

Das frühere Rathaus wurde während der Zeit nach dem GAU als Verwaltungsgebäude für die Dekontamination genutzt. Am mittlerweile überwucherten zentralen Marktplatz sahen wir die Überreste des Hotel „Polissya“ sowie den Kulturpalast „Energetik“. Bei letzterem konnte man noch am Hintereingang Überreste von Requisiten von Vorstellungen sehen.

Vergnügungspark Prypjat

Rainer beim Autoscooter

Abschließendes Highlight waren die Fahrgeschäfte des Vergnügungparks Prypjat. Neben dem Autoscooter gab es noch eine Schaukel sowie ein Karussell zu sehen. Markantes Zeichen ist das Riesenrad. Neben dem mittlerweile etwas rostigem Erscheinungsbild schlägt der Geigerzähler besonders auf der Unterseite der Gondeln stark aus. Der Wert sprang auf über 250 μSv/h, teilweise noch höher. (Als Info: „Bei einem Flug von Frankfurt nach Tokio wird man einer Strahlenbelastung in der Größenordnung von 60 µSv“ ausgesetzt, Quelle: Wikipedia)

 

Mittagessen in der Kraftwerkskantine

Nach unserer gefühlt recht kurzen Tour ging es vorbei am explodierten Kraftwerksblock 4 in die Kantine der vor Ort beschäftigten Arbeiter. Beim Eintreten mussten alle durch ein Ganzkörper Kontrollgerät. Es zeigte auf einer 4-stufigen Skala an, ob man erstens nichts machen muss, zweitens Händewaschen, drittens Minimum Kleidung dekontaminieren oder viertens noch größere Probleme hat. Das Essen selbst war eher mäßig und es fand nicht alles den Weg in meinen Mund.

Duga Radarsystem

Das Duga Radar ist 500 m lang und ca. 140 m hoch

Rund 10 km südlich des Atomkraftwerks befindet sich die als „Tschernobyl 2“ benannte Radar-Anlage Duga. Sie ist eine Überhorizont-Radaranlage, die als Früherkennungssystem für Raketen dienen sollte und in Richtung Westen gerichtet war. Die Tieffrequenz-Antenne ist ca. 140 m hoch und 500 m lang. Durch Störfrequenzen kam es in westlichen Radiosendern zu Störungen, die als „russischer Specht“ bezeichnet wurde. (Mehr Infos bei Wikipedia)

Bei der Rückfahrt passierten wir die beiden Kontrollpunkte, wo wir jeweils durch eine Ganzkörper-Kontrolle mussten sowie der Bus auf radioaktive Spuren geprüft wurde.

Zurück in Kiew mussten wir noch kurz in das 24 Stunden geöffnete Postamt im Bahnhof. Wobei – dieses hatte wie viele andere Restaurants von 23.30 bis 0:15 Uhr geschlossen. Dort zeigt eine riesige Anzeigentafel Zug-Verspätungen bei der Ankunft an.

Am nächsten Morgen entdeckte ich am Flughafen nicht nur genügend Steckdosen, um Smartphones zu laden, sondern auch eine passende Schiene, um diese abzulegen. Auf dem Weg zur Startbahn sieht man viele alte Flugzeuge und Hubschrauber des Oleg Antonov State Aviation Museum stehen, das ich mir gerne das nächste Mal in Kiew ansehen würde.

 

Tipps für eine Ukraine-Reise

  • Rechtzeitig die entsprechende Tour aussuchen und buchen, da es aktuell eine erhöhte Nachfrage – vor allem wegen der HBO-Serie Chernobyl – gibt
  • Prypjat: Lange Kleidung und Mütze anziehen (ggf. auch alte zum hinterher wegwerfen)
  • In Kiew entweder mit der günstigen Metro fahren oder ansonsten eines der zahlreichen Uber Taxis nutzen
  • Wer mehrere Sehenswürdigkeiten in Kiew besuchen möchte kann ein Sammelticket lösen

Tipps zum Fotografieren

  • In Prypjat hilft ein Weitwinkel, um Gebäude im Gestrüpp noch erscheinen lassen zu können
  • Bilder des Kraftwerks schon aus dem Bus machen, da man meist nicht oft genug anhält, um es von allen Seiten zu sehen
  • In Prypjat: Höhere ISO-Werte wählen, um ein Verwackeln zu vermeiden, da man nichts am Boden absetzen darf (z.B. Stativ)